Eiswasser. Atem. Wille. – Mein Winter im See
- Jacqueline Kolesch
- 24. Apr.
- 1 Min. Lesezeit

Jede Woche, manchmal 2-3 Mal, wenn andere sich noch einmal in die warme Decke kuscheln, ziehe ich meine Mütze über die Ohren und gehe raus. Von Oktober bis März. In Wind, Regen, Schnee. Der See ist mein Ziel – spiegelglatt, eisig, manchmal in Nebel gehüllt. Die Welt ist still, nur mein Atem zählt.
Das Wasser begrüßt mich mit einer Kälte, die die Haut brennen lässt und den Verstand fordert. Doch genau darum geht es: Klarheit. Kontrolle. Die Minuten im See sind roh, rein, echt. Jeder Atemzug fühlt sich an wie ein Kampf gegen den inneren Schweinehund, gegen die Grenzen, die der Körper ziehen will. Aber der Wille ist stärker. Ich genieße. Und manchmal in Begleitung. Doch am liebsten alleine um ganz bei mir zu sein.
Zweimal musste ich pausieren – eine zähe Erkältung im Februar, dann kürzlich eine OP. Die erzwungene Ruhe fühlte sich an wie Verrat an meiner eigenen Routine. Doch sie lehrte mich Geduld. Und Demut. Und dass auch Regeneration Teil der Disziplin ist.
Zurück im Wasser war es, als hätte ich mich selbst wiedergfunden. Die Kälte, die ich so vermisst hatte, nahm mich wieder auf – nicht freundlich, aber ehrlich.
Jetzt, im Rückblick, weiß ich: Dieses Winterhalbjahr hat mir mehr gegeben als jedes Fitnessstudio, jede Meditation, jede warme Dusche. Ich habe gelernt, dass Stärke nicht laut sein muss. Manchmal ist sie einfach nur still – und schwimmt durchs Wasser.
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